Daniela Gräppi-Gisin

«Ich bin ein lebensfreudiger Mensch. Ich bin in dieser Zeit viel gelaufen. Meist allein. Denn die Menschen haben sich schon abgewendet. Wenn man erzählt hat, wo man arbeitet. Freunde haben sich eher distanziert. Sie haben mit sich selbst zu tun gehabt. Du hast die Angst der Menschen gespürt. Der Menschen draussen. Der Menschen, die dich umgeben und die dir nahestehen. Und der Menschen auf der Covid-19-Abteilung 4B. Ich gebe alles, habe alles gemacht. Bin für Patientinnen und Patienten 100% da gewesen, für den Betrieb 100% da gewesen und jetzt merke ich, dass ich müde bin. Ich habe das noch nicht ganz verarbeitet. Vorher habe ich so viel Kraft gehabt. Jetzt bin ich einfach müde. Ein Mensch kann vieles leisten. Und ich würde das auch wieder tun. Das ist kein Thema. Aber die meisten Menschen waren mit ihren eigenen Sorgen beschäftigt. Weihnachten zum Beispiel habe ich durchorganisiert. Da haben sie gesagt, man könnte meinen, es lägen alle im Sterben. Ich habe meiner Familie geantwortet, es gäbe auch junge Leute unter den Betroffenen, junge gesunde Menschen. Das hat mich schon mitgenommen. Mit all dem Sauerstoff, den die Patientinnen und Patienten bekommen haben – und sie hatten noch immer Atemnot. Ich bin eigentlich immer diejenige, die ihr Umfeld motiviert. Die auch lacht und etwas Lustiges einbringt. Aber ich selber bin dabei auf der Strecke geblieben. Man möchte am liebsten auf dem Boden liegen und heulen. Aber das lasse ich nicht zu. Dann denke ich an all die Menschen, die jetzt ihre Arbeit verlieren. Das ist ja noch schlimmer. Diese Belastung habe ich wenigstens nicht. Ich möchte niemandem einen Vorwurf machen. Es war einfach so. Wir haben das zum ersten Mal erlebt. Man hat sein Bestes gegeben. Das glaube ich von jedem. Denn, weil wir auf der Covid-19-Abteilung 4B des Lindenhofspitals so gefordert waren, haben auch die Kolleginnen und Kollegen auf den anderen Abteilungen Stress gehabt. Man ist da, man macht. Und ich mache es gern.»