36 Geschäftsbericht 2020 Lindenhofgruppe Neue Rollen in der Pflege existierten. Andererseits war es auch die Pflege, die sich immer mehr damit auseinandersetzte, wie neue Pflegeausbildungen – insbesondere im Ausland – die Pflegeberufe zukunftsgerecht weiterentwickeln. Sabin Zürcher: Ein Motor ist das Bewusstsein, dass wir die Versorgung in Anbetracht der Zunahme an chronisch kranken Menschen mit den bisherigen Versorgungsmodellen nicht mehr werden bewältigen können. Zusätzlich dazu kommt der Mangel an Hausärztinnen und Hausärzten. Mit der Gründung des Instituts für Pflegewissenschaft an der Universität Basel vor 20 Jahren und der Bologna Reform, die eine Pflegegrundausbildung nicht nur auf HF Stufe, sondern auch auf Bachelorniveau möglich machte, gab es in der Schweiz einen Schub in der Entwicklung der Pflegeberufe. Mit dem Master of Science in Pflege wurde Advanced Nursing Practice erst möglich. Besteht ein echter Bedarf für diese Modelle – bisher wurden die Patientinnen und Patienten auch gut versorgt? Kathrin Moser: Die Patientinnen und Patienten sind nicht mehr diejenigen, die wir vor 17 Jahren in der Linden- hofgruppe gepflegt haben. Einerseits sind sie besser informiert. Andererseits wissen sie nicht, wie die Informationen einzuschätzen sind. Heute haben wir auch viel mehr hochbetagte Patientinnen und Patienten zu betreuen. Die operativen Eingriffe und die ganze Pflegelandschaft haben sich grundlegend geändert. Es gibt weniger Ärzte, die als Einzelkämpfer agieren. Sie sind immer öfters in Gruppenpraxen tätig. Sabin Zürcher: Der wirtschaftliche Druck hat über die Jahre zugenommen. Zeit ist eine knappe Ressource geworden. Die Pflege ist deshalb gezwungen zu überprüfen, ob die Massnahmen, die sie einsetzt, wirksam sind und den Bedürfnissen der Gepflegten entsprechen. Um evidenzbasiert arbeiten zu können, braucht es Studien. Es ist uns deshalb wichtig, regelmässig an Studien teilzunehmen oder diese in begrenztem Masse auch selber zu initiieren. Kathrin Moser: Die Patientinnen und Patienten bleiben heute weitaus weniger lang im Spital als früher. Und in dieser kurzen Zeit müssen sie funktionsfähig werden und wissen, wie sie zuhause zurechtkommen und wie sie die verordneten Massnahmen umsetzen. Deshalb müssen wir Pflegefachpersonen unsere Effizienz laufend steigern. Sabin Zürcher: Auch auf der Onkologie benötigen Patientinnen und Patienten viel mehr Beratung. Im Gegensatz zu früher erhalten Krebspatientinnen und -patienten ihre Antitumortherapie häufig ambulant als Infusion oder nehmen sie zuhause als Tablette ein. Sie sind also oft daheim, wenn Nebenwirkungen auftreten. Wir trainieren sie im Selbstmanagement der Symptome und geben ihnen Informationsmaterial ab. Das hilft ihnen den Schweregrad von Nebenwirkungen einzuschätzen und angepasste Massnahmen zu ergreifen. Sie sollen sich möglichst sicher fühlen und wissen, wann und wo sie Unterstützung erhalten. Was ist Ihre Vision bezüglich der Versorgung von Patientinnen und Patienten? Kathrin Moser: Meine Vision ist, dass keine Patientinnen und Patienten durch unser Gesundheitssystem fallen. Sie sollen konstant im Zentrum stehen. Wir von der Pflege können dazu sehr viel beitragen. Insbesondere dank der neuen Berufsrollen können wir uns vermehrt für die Interessen der Patientinnen und Patienten einsetzen. «Meine Vision ist, dass keine Patientinnen und Patienten durch unser Gesund- heitssystem fallen.»
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