Geschäftsbericht der Lindenhofgruppe 2021
Wie haben Sie die Corona-Pandemie im Vergleich zum Vorjahr empfunden? Remo Koller: Ich habe die Pandemie etwas entspannter wahrgenommen als im ersten Jahr. Die wirtschaftlichen Ängste waren weniger ausgeprägt. Alles in allem gab es mehr bekannte Komponenten. Alle haben im ersten Jahr Erfahrungen gesammelt. Auch den Umgang unter- einander habe ich als konstruktiv und positiv empfunden – zumindest in meinem Arbeitsalltag als Anästhesist. Es fand beispielsweise kein Gerangel um OP-Slots statt. Man hat gemeinsam nach Lösungen gesucht. Die geringeren Vorgaben von Bund, Kanton und BAG haben jedoch einen grossen Unterschied gemacht. Die vielen unterschiedlichen Regelungen haben immer wieder zu Diskussionen und teils auch zu Unverständnis geführt – besonders, wenn es um Triage-Entscheide ging. Ilka Rüsges-Wolter: Ich habe das ähnlich empfunden. Alles lief koordinierter, gesetzter und vorausschauender ab. Die Abläufe waren bereits institutionalisiert, der Krisen- stab und sein Wirken etabliert. Auch der Austausch mit der Ärzteschaft hat gut funktioniert. Es ist ein neues Gemeinschaftsgefühl entstanden. Wir sind zusammen- gerückt. Dennoch spüren wir die Auswirkungen des Pandemie- Marathons. Alle sind müde und erschöpft, auch wenn das Jahr 2021 in Bezug auf Corona weniger hektisch verlief. Konnten Sie bereits Lehren aus dem Vorjahr im Umgang mit der Pandemie ziehen? Remo Koller: An vielen Stellen konnten wir auf den Er- fahrungen des Vorjahrs aufbauen. Dieses Jahr haben sich die Herausforderungen verschoben. Es gab neuen Diskussionsbedarf – zum Beispiel, wenn es um den Einsatz von Mitarbeitenden oder ganzen Teams in an- deren Fachbereichen ging. Für gewisse Mitarbeitende oder ganze Bereiche war das sehr anspruchsvoll. Zusätzlich zur allgemeinen Müdigkeit ist eine grosse Anzahl qualifizierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgefallen. Sie mussten sich in Quarantäne oder Isolation begeben. Daraus sind weitere Themen entstanden. Ilka Rüsges-Wolter: Die Geschäftsleitung der Lindenhofgruppe habe ich 2021 strukturell und informativ stärker wahr- genommen. Das war sicherlich eine Weiterentwicklung im Umgang mit der Corona-Pandemie. Dafür wurde es immer herausfordernder, Mitarbeiterinnen und Mit- arbeitern mit besonderem Einsatz in der Corona-Zeit eine angemessene Wertschätzung entgegenzubringen und Erholungsmöglichkeiten anzubieten. Das ist nach wie vor eine anspruchsvolle Aufgabe. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir zukünftig weitere Erkenntnisse aus den vergangenen Pandemie-Jahren ziehen. Welche Themen haben die Ärzteschaft der Lindenhof- gruppe 2021 beschäftigt? Ilka Rüsges-Wolter: Selbstverständlich war die Pandemie weiterhin ein grosses Thema. Aber dieses Jahr, wie bereits erwähnt, mit anderen Facetten. Wer vor einem Jahr noch Ungewissheit hatte, konnte sich für dieses Jahr konkrete Gedanken machen, wie zum Beispiel die eigene Praxis weitergeführt werden kann, wenn das Team oder man selbst aufgrund von Krankheit, Quaran- täne oder Isolation ausfällt. Auch kamen Gedanken zu Long-Covid auf. Niemand weiss im Voraus, was das Virus mit uns macht. Diese Sorge mischte sich mit anderen wirtschaftlichen und menschlichen Themen. Zudem befindet sich die Gesundheitsbranche in einem Umbruch und die Zukunft ist nicht klar definiert. Remo Koller: Eines der Dauerthemen im Verein Ärztekolle- gium ist immer wieder das Pekuniäre. Über die Jahre, mit all den Änderungen in der Gesundheitsbranche, ist ein Verteilkampf entstanden. Während der Corona- Pandemie haben unmittelbar wichtigere Themen ihn etwas verdrängt. Nun, da sich die Corona-Wellen etwas geglättet haben, wird das Thema wieder an Fahrt auf- nehmen. Wir sind nur ein kleiner Verein und können nicht die Welt verändern. Aber es ist hilfreich, wenn wir Diskussionen in Gang halten und verschiedene Blick- winkel sichtbar machen. «Wir behandeln Menschen, keine Gegenstände.» Inwiefern haben gesellschaftliche Entwicklungen diese Themen beeinflusst? Ilka Rüsges-Wolter: Es zeichnet sich auch abseits von Corona eine Überbelastung des Gesundheitspersonals sowie der Ärztinnen und Ärzte ab: Die Bevölkerung wird älter, die medizinische Diagnostik, die Therapien und die Betreu- ung komplexer. Unsere Patientinnen und Patienten sind aufgeklärter und nehmen ihre Mitbestimmung ernst. 13 Geschäftsbericht 2021 Lindenhofgruppe Vorwort Verein Ärztekollegium
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