Wie trägt Ihr Team dazu bei? Ruth Gräter: Unser Team trägt proaktiv dazu bei, dass wir Innovationen nutzen und uns weiterentwickeln, denn auch das Team lebt in einem dynamischen Umfeld. Der Anspruch, Teil eines innovativen Gesamtkonzepts zu sein, ist im Team fest verankert. Das spüren wir auch im Wettbewerb um Ressourcen. Fachlich hochqualifizierte Mitarbeitende sind rar und Stellensuchende können ganz genau hinschauen. Auch sie haben im Hinblick auf Innovationen konkrete Vorstellungen und Wünsche. Carlos Calle: Ja, das stimmt. Bewerberinnen und Bewerber, aber auch die bestehenden Mitarbeitenden, fragen explizit nach innovativen Behandlungskonzepten an modernen Geräten, wenn wir uns mit ihnen austauschen. Wie wird sich die Krebstumor-Therapie in Zukunft wandeln? Ruth Gräter: Sie wandelt sich stetig. Bis vor wenigen Jahren gab es Konzepte in der onkologischen Therapie, die entweder operativ, medikamentös oder radio-therapeutisch ausgerichtet waren. Heute ist die Kombination von alledem Standard. Und zwar zeitgleich, nicht aufeinander folgend. Zeitgleich erfolgen beispielsweise kombinierte Radio-Chemotherapien vor einer geplanten Operation. Aber die Entwicklung geht weiter. Die Immun-Therapie ist dazugekommen und Zell-Therapien wie die Car-T-Zelltherapie oder die Stammzellentherapie. Vieles deutet darauf hin, dass die Behandlungskonzepte immer personalisierter, immer individualisierter werden. Das macht jedes vorhandene Therapiemodul beliebig einsetzbar, wobei die «richtigen» Sequenzen und Kombinationen ständig erforscht werden. Die Kombination aus oben genannten Wissenschaften wird auch die Anwendung der Radio-Onkologie in der Zukunft noch komplexer beeinflussen. Carlos Calle: Damit einher gehen aber auch deutlich höhere Kosten, besonders bei den wenigen bisher zugelassenen Zell-Therapien. Ob sie einem breiteren Markt zugänglich gemacht werden können, wird sich erst in Zukunft erweisen. Günstig wird eine solche Therapie aber vermutlich nicht. Ruth Gräter: Im Gegensatz dazu ist die Radio-Therapie vergleichsweise günstig. Wie wirksam diese Therapieform ist, bestimmt die Dosis, die auf definierte Regionen einwirkt. Können wir hohe Dosen einstrahlen, sind die meisten Tumore zerstörbar. Aber die Forschung wir sicher verschiedene Wege weiterentwickeln. Deren Kombination bietet dann wieder einen möglichen Gewinn für unsere Patientinnen und Patienten. «Ich bin überzeugt, dass der Stellenwert der Hyperthermie für solide Tumore noch nicht ausgereizt ist.» Was ist der Unterschied zwischen der Tiefen- und der Oberflächen-Hyperthermie? Ruth Gräter: Vereinfacht dargestellt strahlen wir bei der Oberflächen-Hyperthermie Rotlicht auf Hautareale. Damit überwärmen wir einen oberflächlich gelegenen Tumor und die Region darum. Danach führen wir die Patientinnen und Patienten der eigentlichen Bestrahlung zu. Mit der Tiefen-Hyperthermie ist es uns möglich, tieferliegende Regionen im Körper zu überwärmen. Gynäkologische Tumore zum Beispiel, also des Eierstocks, der Gebärmutter, des Gebärmutterhalses, der Scheide oder der äusseren Geschlechtsorgane. Aber auch urologische und gastrointestinale Tumore wie des Harntraktes, der männlichen Geschlechtsorgane, der Speiseröhre, des Magens, des Darms, der Leber, der Gallenwege und der Bauchspeicheldrüse. Beide Hyperthermieverfahren sind im Grunde eine Vorbereitung des bösartigen Gewebes für eine Bestrahlung oder eine folgende Chemotherapie. Beide Methoden ermöglichen, nach der Erwärmung der Tumorregion, mit geringeren Strahlendosen therapieren zu können. Ich bin überzeugt, dass der Stellenwert der Hyperthermie für solide Tumore noch nicht ausgereizt ist. Da wird es noch Entwicklungen geben. Carlos Calle: In der Schweiz interessieren sich immer mehr Spezialistinnen und Spezialisten für diese Techniken. Aber die Einführung und der Betrieb sind sehr aufwendig im Hinblick auf Gerätetechnik und Ressourcen. Wir müssen langsam anfangen, die definierten Zonen zu erwärmen. 21 Geschäftsbericht 2022 Lindenhofgruppe Radio-Onkologie
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