Interview
mit Marlies Mutombo

«Ich habe auf «Autopilot» geschaltet.»

Frau Mutombo, der Brustkrebs hat Ihr Leben stark geprägt. Wie geht es Ihnen heute?

Marlies Mutombo: «Es geht mir gut und ich kann für meine Familie da sein. Regelmässig gehe ich zu den Kontrolluntersuchungen. Im Jahr 2020 habe ich mir vorsorglich das Eierstock- und Eileitergewebe entfernen lassen. Zum Glück habe ich bereits einen wunderbaren Sohn. Ich bin froh, dass ich mit meiner Diagnose dazu beitragen konnte, dass meine Mutter und Schwester gewarnt waren und rechtzeitig handeln konnten.»

Brustkrebs ist nicht gleich Brustkrebs. Können Sie uns über Ihre persönlichen Erfahrungen berichten?

M.M.: «Im Jahr 2010 erfuhr ich, dass ich einen Krebs in der linken Brust habe, worauf ich sogleich operiert wurde. Die Suche nach einer kompetenten und meinen Bedürfnissen gerecht werdenden Onkologin oder einem Onkologen wurde zu einer regelrechten Odyssee, an deren Ende ich zum Glück bei Frau Baumann landete. Danach machte ich die Chemotherapie mit anschliessender Bestrahlung. 2015 wurde ein neuer Krebs in der rechten Brust festgestellt. Das kam unerwartet und war auffällig. Zusammen mit Frau Baumann beschloss ich, die Sache genetisch abklären zu lassen. Und tatsächlich lag eine Genmutation vor. Wieder unterzog ich mich einer Chemotherapie. Danach liess ich mir vorsorglich das Brustdrüsengewebe entfernen. Ich weiss nun, wie ich mit schwierigen Situationen umgehen kann.»

Wie sind Sie persönlich mit Ihrer Erkrankung umgegangen. Was hat Ihnen neben der Behandlung geholfen?

M.M.: «Die klaren Aussagen meiner Ärztin fand ich sehr hilfreich. Das gab mir eine gewisse Sicherheit. Ich wollte möglichst viel über die Therapie wissen. Dieses Wissen nahm mir teilweise die Angst. Auch die Informationen aus der psychoonkologischen Beratung haben mir geholfen. Dort hörte ich Aussagen wie: «Chemotherapie kann man sich vorstellen wie eine starke Grippe, die auch wieder vorbeigeht.» Damit konnte ich etwas anfangen. Ausserdem lernte ich in einer Patientenkompetenzberatung eine Methode kennen, um mental besser mit meiner Situation umgehen zu können: Ich lernte bei Bedarf, meinen Autopiloten zu starten.»

Was ist der Autopilot? Und was würden Sie anderen Brustkrebspatientinnen empfehlen?

M.M.: «Für den Autopiloten habe ich mir ein bestimmtes Bild vorgestellt. Das Bild stellt emotional mein Ziel der Behandlung dar. Dazu habe ich einen Leitsatz formuliert, der mir Kraft gibt und mich entspannt. Beides habe ich mir damals auf ein Blatt gemalt und geschrieben und Zuhause so aufgehängt, dass ich es täglich sehen konnte. So hatte ich immer mein Ziel vor Augen. Das hat mich auch mental stets beruhigt und gestärkt. Anderen Frauen in meiner Situation kann ich nur empfehlen, die eigenen Stärken zu suchen. Es hilft auch, seine Orte oder Lieblingsbeschäftigungen zum Krafttanken und Entspannen zu kennen. Bei mir war es das Malen, dabei konnte ich am besten abschalten und in eine andere Welt, die nichts mit der Erkrankung zu tun hat, eintauchen.»

Wie haben Sie Ihre Behandlung im Spital erlebt?

M.M.: «Es verlief alles optimal. Die gesamte Therapie fand im Lindenhofspital statt. Noch heute habe ich mit den Menschen dort Kontakt. Die Lindenhofgruppe empfehle ich immer wieder und gerne weiter.»

Unsere Fragen an die Onkologin Dr. med. Christa K. Baumann

Die Fachärztin für Medizinische Onkologie und Allgemeine Innere Medizin, Dr. med. Christa K. Baumann, ist Mitglied des Leitungsteams am Brustzentrum Bern und des gesamten Onkologiezentrum Bern. Sie ist Mitglied in Berufsvereinigungen und Fachgesellschaften sowie Projektgruppen. Zudem publiziert sie in nationalen und internationalen Fachzeitschriften und hält Vorträge an Kongressen und Fortbildungsveranstaltungen. Des Weiteren ist sie in der Durchführung von klinischen Studien involviert. Sie ist Weiterbildnerin für die Ausbildung zur Onkologin oder zum Onkologen. Ein weiterer Schwerpunkt von ihr ist die Förderung der Selbstkompetenz der Patientinnen. Sie ist zertifizierte Patientenkompetenz-Coach.

Frau Doktor Baumann, Ihre Patientin Frau Mutombo berichtet, dass sie erst nach einer langen Suche zu Ihnen fand. Wie finden Brustkrebspatientinnen Orientierung und eine für sich passende Onkologin oder einen Onkologen?

C.B.: «Eine passende Ärztin oder einen passenden Arzt zu finden, ist nicht immer einfach. Es lohnt sich, wenn sich die Patientin überlegt und formuliert, was sie von welcher Beraterin erwartet. Man kann sich Vorschläge von den primär betreuenden Ärztinnen und Ärzten machen lassen. Hierbei ist es wichtig, dass die vermittelnden Ärzte des Vertrauens mehr als einen Vorschlag machen. So kann auch eine Wahl getroffen werden. Zusätzlich kann man sich selbst auf die Suche machen und betroffene Bekannte fragen. Auf der Lindenhofspitalhomepage sind alle Onkologinnen und Onkologen, die im Zentrum involviert sind, aufgelistet. Dann darf man wissen, dass man jederzeit Zweitmeinungen in Anspruch nehmen kann und auch Ärztin oder Arzt wechseln kann. Das ist heutzutage normal geworden. Wenn man sehr früh spürt, dass man sich nicht frei fühlt in einer onkologischen Betreuung und das Gefühl nach zwei bis drei Gesprächen nicht verschwindet, lohnt es sich die Fühler auszustrecken. Eine Vertrauensbeziehung zu suchen, lohnt sich sehr. Das braucht aber manchmal auch Zeit. So war es auch bei Frau Mutombo, die über einige Umwege und schliesslich durch den Hinweis einer Psychoonkologin zu mir gelangte.»

Was kann man als Patientin oder Patient bei einer nachgewiesenen erblichen Genmutation tun?

C.B.: «Eine erbliche Genmutation entdeckt man bei uns nur in einem Kontext von Gesprächen. Es sind Brustspezialistinnen und -spezialisten, sowohl von chirurgischer Seite als auch onkologischer Seite involviert. Die Diagnose der Genmutation wird in der Regel durch eine Genetikerin oder einen Genetiker gestellt. Es werden ausführliche informative Gespräche geführt. Je nach Typ der Genmutation sowie nach Alter und persönlicher Geschichte der Patientin wird man ihr Empfehlungen für ihre Kontrollen oder vorsorglichen Interventionen machen. So kann es sein, dass man zu Operationen, wie zum Beispiel Brustdrüsengewebeentfernung und Eierstock- und Eileiterentfernung rät.»

Ist jede Therapie bei Brustkrebs gleich? Wie finden Sie die jeweils richtige Therapie?

C.B.: «Die Therapien von Brustkrebs sind äusserst vielfältig geworden. Es gibt eine Vielzahl von Therapiekomponenten wie zum Beispiel: Medikamente, wie Antikörper-, Chemo-, und Hormontherapien, unterschiedliche Operationstechniken und Bestrahlungen. In unseren Therapiekonzepten werden sie in unterschiedlicher Reihenfolge eingesetzt. Man wählt einen Weg, der abhängig ist von dem Tumortyp, dem Tumorstadium, dem Alter und der Gesundheit der Patientin sowie den Therapiezielen, die schlussendlich von der Patientin gewählt werden müssen. Es wird immer mehr Wert auf die unterschiedlichen Behandlungsstrategien gelegt, die abhängig sind vom Tumortyp. »

Was kann eine Patientin selbst zum Gelingen einer Therapie beitragen? Spielen die Nahestehenden auch eine Rolle?

C.B.: «Sehr viel kann die Patientin beitragen! In aller Regel wollen das Patientinnen sehr stark. Sie haben oder suchen auf allen Ebenen Möglichkeiten, die sie stärken, die Prognose verbessern und das Leben vereinfachen. Dazu gehören physische Aspekte wie zum Beispiel Bewegung und Ernährung, emotionale Aspekte wie zum Beispiel Musse, Herzenswünsche, sinnliche Wahrnehmungen, intellektuelle Aspekte, wie Wissen, mentale Ausrichtung und Zielfindung, spirituelle Aspekte wie Hoffnung, Kraft, Sinn, Gebet und dann der von Ihnen erwähnte Aspekt des sozialen Umfeldes, der Beziehungen, des Respektes. In allen Bereichen können unglaublich viele Ressourcen gefunden werden, aber auch Belastungen zum Vorschein kommen. Beide Teile gilt es sehr ernst zu nehmen.»

Miteinander gegen Brustkrebs ist keine Floskel, sondern Grundlage unseres Handelns in der Begleitung und Therapie unserer Patientinnen und ihrer Nahestehenden.
Miteinander gegen Brustkrebs ist keine Floskel, sondern Grundlage unseres Handelns in der Begleitung und Therapie unserer Patientinnen und ihrer Nahestehenden.

Brustkrebsmonat Oktober

Die «Rosa Schleife» wurde erstmals im Herbst 1991 von einer US-amerikanischen Stiftung eingesetzt. Inzwischen hat sie sich zu einem internationalen Symbol entwickelt. Wer sie trägt, demonstriert Solidarität mit von Brustkrebs Betroffenen. Mit einer Gesundheits­kampagne macht auch die Lindenhofgruppe verstärkt auf das Thema Brustkrebs aufmerksam.

hier gehts zu den weiteren beiträgen