«Wir möchten den Menschen das gute Gefühl vermitteln, nicht allein zu sein.»

Krebs macht vielen Angst. Dann tut es gut, einen professionellen Ansprechpartner zu haben, dem man vertraut. Ein Gespräch mit B. Rihs und M. Stähli, Visceral Care Nurses, Darmzentrum Bern.

Worin sehen Sie Ihre Hauptaufgabe als Visceral Care Nurses?
B. Rihs: Unsere Hauptaufgabe liegt in der Begleitung und Beratung von Menschen. Von Menschen, die frisch an Krebs erkranken, die in der Therapie oder Behandlung sind oder diese verlassen haben. Aber ebenso von Menschen, die noch eine Kontrolluntersuchung vor sich haben und froh sind, noch eine Ansprechperson zu haben. Auch das Vernetzen mit anderen notwendigen Diensten gehört dazu. Mit einer psychoonkologischen Beratung zum Beispiel, mit der Seelsorge oder dem Sozialdienst.

M. Stähli: Wir begleiten Patientinnen und Patienten auch bei aufkommenden Emotionen wie Angst, Wut oder Hilflosigkeit. Sie sollen wissen, dass sie uns auch von daheim aus immer noch kontaktieren können, dass wir für sie da sind.

Gehen Frauen und Männer unterschiedlich mit Sorgen um?
B. Rihs: Frauen sprechen oft schon im Vorgespräch über ihre Gefühle. Männer öffnen sich eher bei regelmässigen Besuchen auf der Abteilung.

Sprechen Sie auch mit Angehörigen?
M. Stähli: Wir reden mit beiden. Mitunter sprechen uns auch Angehörige an, die selbst Unterstützung benötigen. Oder bei einem Gespräch mit einer Patientin oder einem Patienten kommt ein Angehöriger hinzu.

B. Rihs: Manchmal sprechen wir auch mit beiden separat. Wenn eine Person besonders belastet ist, zum Beispiel. Oder die Patientin oder der Patient wünscht, dass wir das Gespräch mit der Partnerin oder dem Partner suchen. Aber das kommt nicht allzu häufig vor.

Wie alt war Ihre jüngste Patientin oder Ihr jüngster Patient?
B. Rihs: Wir begleiten sehr junge, aber auch ältere Patientinnen und Patienten. Viele der Betroffenen verstehen nicht, warum sie an Darmkrebs erkranken – trotz Bewegung und gesunder Ernährung. Denn ein gesunder Lebensstil kann zwar das Risiko einer Krebserkrankung senken. Ganz ausschliessen kann man sie dadurch aber nicht. Schon deshalb ist eine Vorsorgeuntersuchung wichtig.

Was sagen Sie diesen Patientinnen und Patienten?
M. Stähli: Wir bestätigen ihnen, dass ihre Empfindungen normal und verständlich sind. Für die Patientinnen und Patienten ist es wichtig zu wissen, dass sie nicht allein sind mit der Belastung. Dass sie jemanden haben, der für sie da ist, der sich Zeit nimmt und der ihnen zur Seite steht.

B. Rihs: Vielen hilft es auch, jemanden zu haben, der nicht zur Familie gehört. Den man nicht mit seinen Sorgen und Problemen belastet. Manche sagen uns, dass sie froh seien, ihre Gefühle mit jemandem teilen zu können. Dass es befreiend sei, sich auch mal gehen lassen zu können. Eine Krebserkrankung kann eine Familie recht durcheinanderwirbeln.

Wie finden Sie heraus, wie stark die- oder derjenige belastet ist?
B. Rihs: Wir fragen die Patientin oder den Patienten, wie hoch sie ihre Belastung selbst einstufen. Dazu nutzen wir ein Instrument, das sogenannte Belastungsthermometer. Gleiches machen wir auch mit Angehörigen. Manchmal ist dann die Belastung der Patientin oder des Patienten in einem niedrigen Bereich, während sie bei den Angehörigen das Ende der Skala erreicht. Denn während die Betroffenen in einen Therapieprozess eintauchen, stehen die Angehörigen oft machtlos daneben.

Was macht Ihre Arbeit zu einer Herzensangelegenheit?
B. Rihs: Zu Beginn meiner Laufbahn ging es um Wissen, um Lernen und Weiterbildung. Je älter ich nun werde, desto mehr wird meine Arbeit zu einer Herzensangelegenheit. Ich möchte die Menschen begleiten, ihnen vermitteln, dass sie professionell betreut und in guten Händen sind. Das ist mir wichtig. Im Pflegealltag hat man oft weniger Zeit für längere Gespräche mit Patientinnen und Patienten. Das ist hier anders. Ich kann mir einen Stuhl nehmen und mich zu der Patientin oder dem Patienten setzen und mit ihr oder ihm eine halbe Stunde reden. Das ist ein Privileg, das ich sehr schätze.

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